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Verantwortungsvolle Männer lassen sich ausnutzen?

Warum sich verantwortungsvolle Männer leicht ausnutzen lassen – Beispiele aus der Praxis


Verantwortungsbewusste Männer besitzen oft besondere Eigenschaften, die sie im Alltag wertvoll und zuverlässig machen – doch eben diese Eigenschaften öffnen leider auch Türen für mögliche Ausbeutung.


In meiner Heilpraktikerpraxis und meinem privaten Umfeld habe ich viele Männer erlebt, die aus purer Gutmütigkeit und einem tief verwurzelten Verantwortungsbewusstsein heraus in Rollen gedrängt wurden, die ihnen schaden. Um dies zu verdeutlichen, habe ich ein paar Beispiele zusammengetragen. Die Namen der Betroffenen wurden zum Schutz ihrer Privatsphäre geändert.


  1. Empathie und Mitgefühl


    Ein guter Freund, den wir hier „Thomas“ nennen wollen, ist ein sanfter, einfühlsamer Mann Anfang fünfzig. Thomas hat einen ausgeprägten Sinn für Empathie und Mitgefühl – eine Eigenschaft, die ihn zum „Retter“ vieler Menschen gemacht hat, die ihn jedoch auch dazu verleitet, seine eigenen Bedürfnisse oft hintenanzustellen. Eines Tages erzählte er mir, wie eine Freundin in Not ihm immer wieder in unpassenden Situationen schreibt, sogar nachts. Anstatt klare Grenzen zu setzen, hörte Thomas geduldig zu, weil er sie nicht enttäuschen wollte. Dabei blieb seine eigene Erholung und sein Schlaf auf der Strecke. Seine liebevolle Art, das Leid anderer zu teilen, wurde ausgenutzt – was ihn gesundheitlich und emotional belastete.


  2. Verpflichtungsgefühl und Konfliktvermeidung


    „Markus“, ein anderer Patient, arbeitet seit Jahren in einem anspruchsvollen Job, der oft mehr von ihm verlangt, als er geben kann. Markus fühlt sich verantwortlich, alle Aufgaben zu übernehmen und erwartet, dass es "normal" sei, ständig erreichbar zu sein. Eines Abends, als er nach einer langen Woche Zeit mit seiner Familie verbringen wollte, rief ein Kollege an und bat ihn, eine Präsentation für den nächsten Tag fertigzustellen. Anstatt „Nein“ zu sagen, setzte sich Markus hin und arbeitete bis tief in die Nacht. Die Verantwortung, die er für sein Team empfindet, und sein Drang, Konflikte zu vermeiden, machten ihn hier anfällig für Überforderung und Ausbeutung. Er hat schließlich erkannt, dass sein Bedürfnis, immer „gut dazustehen“, ihn auf Dauer ausbrennen lässt.


  3. Selbstlosigkeit und das Problem mit Grenzen


    Der 60-jährige „Hermann“, ein Vater und Großvater, erzählte mir in einer Sitzung von seiner herausfordernden familiären Situation. Er neigt dazu, für seine Kinder da zu sein, wann immer sie ihn brauchen, und lässt seine eigenen Bedürfnisse oft vollständig außer Acht. Als eines seiner Kinder in finanzielle Schwierigkeiten geriet, half Hermann erneut mit einem größeren Geldbetrag aus – obwohl er wusste, dass es seine eigene finanzielle Zukunft gefährdet. Das Vertrauen seiner Kinder in seine Unterstützung ist mittlerweile so groß, dass sie seine Hilfe fast selbstverständlich voraussetzen. Hermanns Bereitschaft zur Selbstaufopferung und seine Schwierigkeiten, „Nein“ zu sagen, führen dazu, dass er regelmäßig seine eigenen Grenzen überschreitet.


  4. Loyalität und Vertrauen


    Ein besonders anschauliches Beispiel dafür ist die Geschichte von „Karsten“, einem Patienten, der seine Loyalität gegenüber seiner Expartnerin auch nach der Trennung nicht aufgeben kann. Obwohl die Beziehung offiziell beendet ist, steht Karsten ihr und ihren Kindern (die nicht seine eigenen sind) weiterhin zur Seite. Wann immer seine Expartnerin ihn um Unterstützung bittet, sei es für Umbauarbeiten am Haus, Reparaturen oder andere Aufgaben, ist er sofort zur Stelle. Seine Loyalität gegenüber ihr und sein tiefes Vertrauen in die Rolle, die er für die Kinder einnimmt, binden ihn immer wieder an eine Vergangenheit, die er eigentlich längst hinter sich lassen wollte.

    Karstens Loyalität ist dabei so stark, dass er seine eigenen Bedürfnisse und Wünsche regelmäßig hintenanstellt. Er fühlt sich fast „verpflichtet“, den Kindern weiterhin eine Vaterfigur zu sein, und sieht es als seine Verantwortung, das Haus der Expartnerin in Schuss zu halten. Doch diese ständige Präsenz verhindert, dass er die Beziehung innerlich loslassen kann. Jeder neue Gefallen, jede Hilfeleistung hält ihn emotional in einer Rolle gefangen, die ihm nicht mehr guttut und ihn daran hindert, einen echten Neuanfang zu wagen.


  5. Gesellschaftlicher Druck und soziale Erwartungen


    Viele Männer wie „Uwe“, ein Mann in seinen Fünfzigern, spüren den subtilen Druck der Gesellschaft, immer stark, verlässlich und unterstützend zu sein. Uwe hatte sein ganzes Leben das Gefühl, dass er nie Schwäche zeigen darf – weder in der Arbeit noch in der Familie. Seine Rolle als „Versorger“ und „Stütze“ lastet schwer auf ihm. In seiner Familie kennt man ihn als den „Mann, der alles richtet“. Er befürchtet, dass er Schwäche zeigt, wenn er sagt, dass es ihm auch mal zu viel wird. Dieser innere Druck, einem überhöhten Bild der Männlichkeit zu entsprechen, hat dazu geführt, dass er Schwierigkeiten hat, seine eigenen Bedürfnisse ernst zu nehmen und seine Grenzen zu wahren.


Der Weg zur Veränderung


Diese Beispiele zeigen, wie tief verwurzelte Verhaltensmuster verantwortungsvolle Männer in Situationen bringen können, in denen ihre Hingabe und Bereitschaft, sich für andere aufzuopfern, gegen sie verwendet werden. In meiner Praxis arbeiten wir deshalb intensiv daran, sich dieser Muster bewusst zu werden und Werkzeuge zur Abgrenzung zu entwickeln. Indem sie lernen, ihre eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen und zu kommunizieren, können diese Männer wieder die Kontrolle über ihr Leben zurückgewinnen und gesündere Beziehungen zu sich und ihrem Umfeld aufbauen.


Es ist ein mutiger Schritt, diese Muster zu durchbrechen – aber es ist möglich und vor allem notwendig, um sich selbst als wertvoll und schützenswert zu erkennen.





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