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Wenn „feminine Energie“ wieder zur Falle wird

  • info119720
  • vor 6 Stunden
  • 3 Min. Lesezeit

Warum der aktuelle Trend um feminine und maskuline Energie, Black Cat und Golden Retriever für mich ein Rückschritt in Sachen Gleichberechtigung ist


In den letzten Monaten begegnet mir in den sozialen Medien immer häufiger ein Trend, der auf den ersten Blick harmlos, ja fast inspirierend wirkt. Frauen sprechen über ihre „feminine Energie“, über die Kunst des Empfangens, über Sanftheit, Hingabe und das Loslassen von Kontrolle.

Männer hingegen sollen wieder „in ihrer maskulinen Energie“ ruhen – beschützend, führend, entschlossen. Dazu kommen Rollenbilder, die sich unter neuen Namen tarnen: die „Black Cat Woman“, geheimnisvoll, verführerisch, unabhängig – aber letztlich immer im Kontext des männlichen Blicks. Oder der „Golden Retriever Boyfriend“, der treue, liebenswürdige Mann, der einer starken Frau folgt – aber bitte nur, solange sie ihn mit genug Charme und „femininer Energie“ bei Laune hält.


Was sich modern und spirituell anhört, ist für mich – als Frau, Therapeutin und Leiterin eines Sicherheitstrainings für Frauen – ein bedenklicher Rückschritt.


Die alte Geschichte im neuen Gewand


Ich sehe in diesem Trend eine neue Verpackung für eine sehr alte Geschichte: Frauen sollen wieder „mehr Frau“ sein, Männer „mehr Mann“. Nur diesmal wird es nicht mit religiösen oder gesellschaftlichen Normen begründet, sondern mit „Energien“ und „Balance“. Doch das Ergebnis bleibt dasselbe: Frauen werden erneut auf bestimmte Eigenschaften reduziert – Sanftheit, Hingabe, Emotionalität – während Stärke, Klarheit oder Durchsetzungskraft schnell als „zu maskulin“ gelten.


Ich habe mit zu vielen Frauen gearbeitet, die sich in toxischen Beziehungen verloren haben, weil sie glaubten, sie müssten „mehr in ihrer Weiblichkeit“ bleiben, anstatt Grenzen zu setzen oder Nein zu sagen. Sie fühlten sich schuldig, wenn sie wütend waren, oder schämten sich, weil sie nicht „weich genug“ reagierten. Dabei ist Wut eine gesunde Reaktion auf Grenzüberschreitung. Stärke ist kein Mangel an Weiblichkeit – sie ist ein Teil davon.


Selbstschutz ist keine maskuline Energie – es ist Selbstachtung


In meinem Wehr Dich Sicherheitstraining sehe ich, wie befreiend es für Frauen ist, wenn sie ihre eigene Kraft wieder spüren. Wenn sie lernen, dass Nein sagen keine Ablehnung der Liebe ist, sondern ein Akt der Selbstachtung. Es ist keine „maskuline Energie“, sich zu verteidigen. Es ist Menschlichkeit. Und es ist zutiefst weiblich, für sich einzustehen, die eigene Würde zu schützen und klar zu benennen, was man braucht.

Wenn wir anfangen, solche Qualitäten als „maskulin“ zu etikettieren, machen wir uns selbst klein. Wir schneiden uns von unserer Ganzheit ab – und von unserer inneren Freiheit.


Die Sehnsucht dahinter verstehen


Ich verstehe, warum viele Menschen sich zu diesen Konzepten hingezogen fühlen. In einer Welt voller Leistungsdruck, Unsicherheit und emotionaler Überforderung klingt es verlockend, sich in ein klares Rollenmodell zurückzuziehen. Die Idee von „Balance zwischen Energien“ kann sogar heilsam sein – wenn sie als Einladung verstanden wird, in sich selbst alle Facetten zu integrieren. Aber zu oft wird sie als neue Schublade benutzt. Eine spirituell verpackte Anleitung, wie Frauen „richtig“ zu sein haben, um „die richtige“ Liebe zu bekommen.


Echte Gleichberechtigung ist Ganzheit


Ich wünsche mir, dass wir aufhören, menschliche Eigenschaften in rosa und blau zu sortieren. Dass wir aufhören, Frauen wieder zu lehren, sich „weicher“ zu machen, anstatt sie zu ermutigen, ganz sie selbst zu sein – mit Zartheit und Kraft, mit Verletzlichkeit und Klarheit.

Echte Gleichberechtigung bedeutet nicht, dass wir alle gleich sind, sondern dass jeder Mensch frei ist, sich vollständig zu entfalten – jenseits von Energiekategorien oder Social-Media-Trends.


Mein Appell


Wir haben als Frauenbewegung so viel erreicht. Wir haben gelernt, laut zu sein, Grenzen zu setzen, uns gegenseitig zu unterstützen. Lassen wir uns das nicht wieder nehmen – nicht durch einen Trend, der alte Rollenbilder in glänzendes „Spiritualitätspapier“ wickelt.

Wir sind nicht nur sanft oder nur stark. Wir sind alles. Und genau darin liegt unsere wahre Energie – menschlich, ehrlich, unteilbar.





ree

 
 
 

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