Was die Faszien verbinden, soll der Verstand nicht trennen
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Warum unser Körper nur im Ganzen verstanden werden kann – und wie myofasziale Funktionsketten Bewegung, Schmerz und Gefühle untrennbar verweben.
„Der Körper lügt nie. Er speichert, erinnert – und er spricht. Wir müssen nur lernen, seine Sprache zu verstehen.“
Täglich arbeite ich mit Menschen, deren Körper Geschichten erzählen – manchmal ganz leise, manchmal mit deutlichen Beschwerden. Was mich dabei immer wieder fasziniert: Die Ursache eines Symptoms liegt selten dort, wo es weh tut.
Eine schmerzende Schulter? Oft ein Ruf aus der instabilen Hüfte. Chronische Rückenschmerzen? Vielleicht die Folge blockierter Fußgelenke. Und Migräne? Manchmal Ausdruck eines verspannten Beckenbodens.
Wie kann das sein?
Die Antwort liegt in einem genialen System, das unseren Körper durchzieht: den myofaszialen Funktionsketten – ein Netzwerk aus Faszien und Muskeln, das alles mit allem verbindet.
Was sind myofasziale Funktionsketten?
Stell dir den Körper wie ein Zelt vor, gehalten von zahlreichen gespannten Leinen. Diese „Leinen“ sind unsere Faszien – das Bindegewebe, das Muskeln, Organe und Strukturen miteinander verbindet. Sie verlaufen in funktionellen Einheiten, sogenannten Faszienketten, die Kräfte übertragen, Spannungen speichern und unsere Bewegungen koordinieren.
Das Fasziennetz beeinflusst:
Haltung und Bewegung
Stabilität und Kraftübertragung
...und sogar unsere Emotionen
Ein Beispiel aus der Praxis:
Die oberflächliche Rückenlinie reicht von der Fußsohle bis zur Stirn. Wenn sich die Faszien z. B. unter der Fußsohle verkleben, kann sich das über die gesamte Rückseite bis zum Nacken auswirken. So kann ein Problem am Fuß zu Verspannungen im Nacken führen – eine Verbindung, die oft übersehen wird.
Ein Überblick über wichtige myofasziale Ketten:
1. Oberflächliche Rückenlinie➡️ Rückenschmerzen, Nackenverspannungen, Achillessehnenprobleme🧩 Ursache oft in verklebten Plantarfaszien oder verkürzter Beinrückseite
2. Oberflächliche Frontlinie➡️ Instabilität im Rumpf, Atemprobleme, Hohlkreuz🧩 Häufig bei sitzender Haltung und „nach vorn gekipptem“ Körper
3. Laterallinie➡️ Skoliosen, Hüftschmerzen, Gleichgewichtsstörungen🧩 Wichtig für Stabilität beim Stehen und Gehen
4. Spirallinie➡️ Rotationsprobleme, Schmerzen bei komplexen Bewegungen🧩 Essenziell für Golf, Tanzen, Drehen – überall, wo Rotation gebraucht wird
5. Tiefe Frontlinie➡️ Atemblockaden, instabiler Beckenboden, emotionale Enge🧩 Unsere „innere Aufrichtung“ – körperlich und seelisch
Warum dieses Wissen so wertvoll ist
Wir leben in einer Welt, die Symptome isoliert betrachtet: Schmerz → Behandlung der schmerzenden Stelle.
Doch der Körper funktioniert ganzheitlich. Wenn wir Funktionsketten verstehen, können wir tiefer blicken:
Warum hat mein Patient Rückenschmerzen, obwohl er stark trainiert ist?
Warum kehren Beschwerden trotz Therapie immer wieder zurück?
Mit dem Wissen um die myofaszialen Zusammenhänge erkennen wir Ursachen statt nur Symptome – und behandeln nachhaltig.
Der Körper erinnert sich
Faszien speichern nicht nur Bewegungen – sie speichern auch Emotionen. Stress, Ängste, Traumata, nicht gelebte Gefühle – sie alle können sich im Gewebe manifestieren.
Gerade die tiefe Frontlinie ist dabei von zentraler Bedeutung: Sie steht in Verbindung mit dem Beckenboden, dem Atem, der Zwerchfellspannung – und oft mit dem Gefühl, nicht gehalten zu sein.
Durch gezielte Arbeit an diesen Ketten – sei es durch manuelle Techniken, achtsame Bewegung oder spezifisches Training – kann sich nicht nur körperliche, sondern auch emotionale Spannung lösen.
Verbindung schaffen
Als Heilpraktikerin, Personal Trainerin und Lehrerin für Gesundheit und Reha ist es meine Berufung, Menschen darin zu begleiten, wieder in Kontakt mit ihrem Körper zu kommen. Nicht nur durch Training, sondern durch echtes Verstehen.
Ich glaube an die Intelligenz unseres Körpers. Er spricht – manchmal durch Schmerz, manchmal durch ein Ziehen, durch Erschöpfung oder Verspannung.
Und wenn wir bereit sind hinzuhören, zeigt er uns den Weg.
Myofasziale Funktionsketten sind mehr als Biomechanik. Sie sind ein Ausdruck dafür, dass der Körper nicht in Einzelteilen funktioniert – sondern als Ganzes.
Sie verbinden Muskeln mit Emotionen. Haltung mit Persönlichkeit. Bewegung mit innerer Freiheit.
Und genau darin liegt die Magie.

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